Jacques Jordaens, Moses und seine äthiopische Frau

So sieht man Moses nur selten. Jordaens porträtiert den Propheten nicht als Anführer seines Volkes oder Überbringer der Steintafeln, sondern als modernen Ehemann einer schwarzen Frau, und setzt damit ein starkes Statement für das Gleichheitsprinzip.

 

Jacques Jordaens (1593-1678) 

Moses und seine äthiopische Frau   

um 1650 

Öl auf Leinwand 

 

Permanente Aufbewahrung, Sammlung Flämische Gemeinschaft (Raubkunst) 

Ausgestellt in The Walters Art Museum (Baltimore, USA) 

Jacques Jordaens, Moses und seine äthiopische Frau
Auszug aus Ägypten

Moses ist wahrscheinlich der bedeutendste Prophet des Alten Testaments. Er führt die Israeliten aus Ägypten quer durch die Wüste ins Gelobte Land. Mit der Hilfe Gottes verrichtet er Wunder: Er teilt das Rote Meer, schlägt Wasser aus einem Felsen und lässt Manna vom Himmel fallen, als alle Vorräte verbraucht sind. Moses erhält von Gott auch die Steintafeln mit den Zehn Geboten. 

Moderne biblische Szene

Moses wird meistens mit den Zehn Geboten – einer Kerngeschichte der Bibel – dargestellt, während auf Jordaens‘ Gemälde die prächtig gekleidete schwarze Frau neben ihm im Fokus steht. Es ist seine äthiopische Ehefrau, die vermutlich Seporah hieß. Moses scheint uns mit einer starken Handgebärde anzusprechen. Vielleicht will er dazu aufrufen, seine afrikanische Frau als ebenbürtig anzuerkennen.  

Jacques Jordaens, Mozes en zijn Ethiopische vrouw (detail), 1645-1650, Collectie Vlaamse Gemeenschap, in permanente bewaring bij Rubenshuis, publiek domein
Eine Botschaft der Gleichheit

Moses hält in der linken Hand noch die Zehn Gebote, deren Inhalt jedoch nicht lesbar ist. Man sieht nur die dunkle Rückseite. Jordaens möchte auf diesem Gemälde die Aufmerksamkeit nicht auf den Text dieser Tafeln richten, sondern eine Botschaft vermitteln: den Wert der Nächstenliebe ungeachtet der Hautfarbe. Ein sehr modernes Statement.   

Jacques Jordaens, Mozes en zijn Ethiopische vrouw (detail), 1645-1650, Collectie Vlaamse Gemeenschap, in permanente bewaring bij Rubenshuis, publiek domein
Inklusive Malerei im 17. Jahrhundert

Dass der Künstler Moses’ Frau hier nicht auf stereotype Weise als Afrikanerin dargestellt, sondern als echte Frau mit eigener Persönlichkeit, ist bemerkenswert - und für das 17. Jahrhundert verblüffend fortschrittlich. 

Ob Jordaens jemals eine afrikanische Frau nach dem Leben gemalt hat, wissen wir nicht. Klar ist jedoch, dass er – genau wie übrigens auch Rubens – afrikanische Figuren äußerst menschlich darstellte. Die nuanciert ausgearbeiteten Hautschattierungen sowie die individuellen Züge sind Ausdruck von Respekt, während viele seiner Vorgänger und Zeitgenossen oft in Karikaturen und Klischees stecken blieben. 

Jacques Jordaens, Mozes en zijn Ethiopische vrouw (detail), 1645-1650, Collectie Vlaamse Gemeenschap, in permanente bewaring bij Rubenshuis, publiek domein
Entdeckung einer früheren Vorstudie

2007 deckten Studien eine überraschende Beziehung zwischen diesem Gemälde und einer älteren Skizze von Jordaens auf. Obwohl die Kompositionen sehr unterschiedlich sind, lassen auffällige Ähnlichkeiten jedoch den Schluss zu, dass es sich bei der Zeichnung um eine frühe Vorstudie handelt. Legt man beide Arbeiten nebeneinander, dann erhält man einen Einblick in Jordaens‘ künstlerischen Denkprozess.   

Man erkennt darin einen großen Künstler, der sucht, nachdenkt und sogar eine frühere Skizze über Bord wirft, um seine moderne Botschaft in Form einer neuen Komposition noch stärker zu vermitteln.  

Jordaens rückt auf diesem Gemälde die Liebe in den Fokus. Er ist einer der wenigen alten Meister der westlichen Kunst, der das (damalige) Verhältnis zwischen weißen und schwarzen Menschen kritisch betrachtet. Sein Gemälde zeigt, dass bereits vor 400 Jahren - so außergewöhnlich es auch scheinen mag - nach Gleichheit gestrebt wurde. Jordaens war seiner Zeit offensichtlich weit voraus.  

Jacques Jordaens, Mozes met Aaron en Mirjam (voorstudie voor Mozes en zijn Ethiopische vrouw)(detail), ca. 1650, Collectie Stad Antwerpen, Rubenshuis, publiek domein

Jacques Jordaens, Moses mit Aaron und Mirjam

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