Portikus und pavillon 

Wenn die Wände sprechen könnten. Der Portikus und der Gartenpavillon sind die einzigen authentischen architektonischen Überreste aus Rubens' Zeit. Damals im höchsten Maße innovativ, heute immer noch genauso beeindruckend. Das eine Bauwerk bietet über eine spezielle Sichtachse einen Blick auf das andere. Eine überraschende Perspektive, die schon damals jedem Architekturliebhaber in unseren Gefilden den Atem verschlug.  

  

Portikus und pavillon 

Ein riesiger Fan 

Gemüse und Obst anbauen, mit dem Hund spazieren gehen, mit den Kindern herumtollen oder eine Party mit Freunden feiern. Rubens nutzte seinen Garten für genau die gleichen Dinge, die wir vier Jahrhunderte später tun. Doch die Bauwerke, die er dort errichtete, sind heutzutage absolut außergewöhnlich. Das war übrigens schon zu seiner Zeit der Fall. Es sei denn, man lebte in Italien.   

Dort fand Rubens die Inspiration für einen Portikus mit Pavillon. Inspiriert von den Werken seiner großen Helden: Raffael, Michelangelo, Giulio Romano und anderen großen Namen der italienischen Kunst und Architektur. Er war ganz sicher nicht ihr einziger internationaler Fan, aber er war der erste, der ihren architektonischen Stil hier einführte und ihn nach seinen Vorstellungen gestaltete.  

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Symbolisches Gartentor 

Der Portikus bildet den zentralen Durchgang und ist stilistisch eindeutig an die Porta Pia angelehnt, Michelangelos berühmtes Stadttor in Rom. Eine Ode an die antike Architektur. Sehen Sie die beiden „Bucrania“ oder Ochsenschädel links und rechts in den oberen Ecken? Sie sind eine Anspielung auf die 12 Werke des Herkules. Die Widderköpfe wiederum verweisen auf die Geduld oder auf den Opfertod von Jesus Christus. Oder hat Rubens ihnen hauptsächlich die Bedeutung von Wohlstand gegeben? Angesichts seiner starken Arbeitsmoral könnte das natürlich sein.   

Die Satyrn  — mythische Waldkreaturen, halb Mensch, halb Tier — symbolisieren, wie man durch den Portikus direkt in die Natur geht. Die Delphine wiederum stehen für Erotik und Liebe. Der Portikus ist ein Geniestreich von Rubens: voller Symbolik und Handwerkskunst.   

Keine Kopie 

Um das Wohnhaus aus dem 16. Jahrhundert mit seinem brandneuen Maleratelier zu verbinden, hätte er genauso gut eine einfache Mauer errichten können. Doch Rubens sah darin eine Gelegenheit, etwas Einzigartiges zu schaffen. Den Plan für einen Portikus hatte er schon eine Weile im Kopf. Mehrere Jahre nach dem Kauf seines Hauses war die Zeit endlich gekommen.  

Rubens übernahm einige Elemente des berühmten Stadttors in Rom in seinen Entwurf. Auch ein besonders auffälliges Merkmal: de geknickten Mittelbogen. Allerdings handelte es sich keineswegs um eine Kopie. Rubens gestaltete den Portikus ganz nach seinen Vorstellungen. Unter anderem mit lebensgroßen Statuen der römischen Götter Merkur und Minerva obenauf. Der Gott der Malerei und die Göttin der Weisheit. Konzepte, mit denen er sich natürlich stark identifizierte und die den Besuchern des Rubenshuis eine klare Botschaft mit auf den Weg gaben. Heute wie damals.  

Rubens spricht einen an 

Was an dem Portikus sonst noch auffällt? Die Texttafeln mit den mythischen Satyrn am oberen Rand. Es ist der einzige Ort auf dem gesamten Gelände, an dem Rubens den Betrachter mit Worten und nicht mit Bildern anspricht. Die Zitate stammen aus der Zehnten Satire von Juvenalis und handeln von der lächerlichen Geldgier des Menschen und der Tatsache, dass menschliche Ambitionen sinnlos sind. Er enthält auch berühmtere Zitate wie „Mens sana in corpore sano“, ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Rubens war ein Verfechter von Verstand und Selbstbeherrschung.  

Bleibender Eindruck 

Sie kommt nicht umhin, es zu bemerken. Durch den mittleren Bogen des Portikus fällt der Gartenpavillon sofort ins Auge. Als eine Art Point de Vue. Diese Sichtlinie vom Portikus zum Pavillon ist keineswegs dem Zufall geschuldet. Wie bei seinen Gemälden war auch Rubens auch in der Architektur ein Meister der Perspektive. Er zieht einen sozusagen durch die Bögen in den Garten und den Pavillon hinein. Wieder mit einem Bogen als Blickfang und einer Hauptrolle für einen römischen (Halb-)Gott: Herkules. Die Symbolik? Durch Kunst und Weisheit findet man den Weg zur Tugend. Wer unter den Statuen der römischen Götter Merkur und Minerva hindurchgeht, findet Ruhe in der dahinter liegenden Natur.  

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Jeder, der die Ehre hatte, Rubens zu besuchen, war beeindruckt. Für den Lehrling Anthony van Dyck und den Mitarbeiter Jacques Jordaens war es ein alltäglicher Anblick, aber selbst sie staunten immer wieder über Rubens' Werke, wenn sie im Atelier ein- und ausgingen. Jordaens nahm den Portikus in einige seiner Gemälde auf und Van Dyck zeichnete sogar eine Detailstudie.   

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Natürliches Facelifting 

Von 2017 bis 2019 wurden beide Gebäude aufwändig restauriert. Sie waren durch eindringendes Regenwasser stark in Mitleidenschaft gezogen. Dabei wurden die Skulpturen gründlich gereinigt und restauriert, ohne fehlende Elemente zu ergänzen. Eine sorgfältige Vorgehensweise also, die Rubens' ursprüngliche Entscheidungen respektiert. Ein schmetterlingsförmiges Glasdach schützt den Portikus nun vor allen Witterungsbedingungen. Die selbsttragende und nahezu unsichtbare Konstruktion wird uns noch jahrhundertelang einen klaren Blick auf Rubens' außergewöhnliches Talent für Architektur gewähren.  

AUCH DAS KÜNSTLERHAUS WIRD WIEDER SEINEM ALTEN GLANZ ERSTRAHLEN